Montag, 2. September 2024
Tag 18 und 19 Brüssel
Meine Tour neigt sich langsam aber sicher dem Ende. Morgen geht es per Bus erst nach Aachen und dann weiter heim. Ursprünglich wollte ich die 150 km bis Aachen noch radeln, aber jetzt sind 2,5 Tage in Brüssel draus geworden. Und ich bereue nichts, denn es waren wirklich tolle Tage hier! Von der Sightseeingtour hab ich ja schon berichtet. Am zweiten Tag stand fast alles im Zeichen der Wissenschaft und Technik. Denn nach nur einem kurzen Abstecher zu Brandenburger Tor-double, ging es ins Naturwissenschaftliche Museum und ein paar Millionen Jahre zurück in der Zeit. Denn die Besuchenden erwartete die größte Dinosaurierausstellung Europas. Bzw. das, was von den Riesenechsen noch übrig war: Die versteinerten Knochen. Viele der Skelette waren aufwendig aufgearbeitet und eindrucksvoll in Szene gesetzt. Sehr beeindruckend. Sie hatten auch noch ein paar andere Exponate, aber die Saurier waren definitiv die Hauptattraktion. Am Nachmittag sprang ich dann zeitlich wieder nach vorn, genauer gesagt ins Zeitalter der Dampfmaschinen. Die Brüsseler Train World bietet eine Ausstellung von historischen Zügen, nicht nur angetrieben von Dampf, sondern auch Diesel und Elektrizität. Dazu ließen viele Informationen und Ausstellungsstücke über Eisenbahntechnik mein Ingenieursherz höher schlagen. Herzstück der Ausstellung ist eine 4-4-2 Typ 12 Atlantik, die aufwendig mit Sound und Lichteffekten versehen wurde. Gänsehaut inklusive. :)
Heute blieb es zunächst wissenschaftlich mit einem Besuch der kubisch-raumzentrierten Elementarzelle eines Eisenkristalls. Etwas vergrößert, also ein paar Millionen Mal. Auch bekannt als das Atomium. Ich war früh dran und durfte als einer der ersten in das Bauwerk. Schon von außen ließ es einen staunen. Die erst kürzlich renovierten Edelstahlkugeln spiegelten den Boden und den Himmel. Und von oben hat man eine Klasse Ausblick auf die Stadt. Damit nicht genug, innen ist auch noch eine Lichtershow installiert, die den Besuch abrundet. Ein wirklich lohnenswerter Besuch! Nicht ganz so spektakulär das Mini-Europa gleich nebenan. Der Park wirkte auf mich etwas lieblos daher ging es gleich weiter zu Politik- und Geschichtsunterricht
Das Parlamentarium bietet seinen Besuchenden allerlei Informationen über die europäischen Institutionen, wie die Kommission, den Rat und das Parlament sowie einen Überblich über die geschichtlichen Zusammenhänge und Entwicklung hin zu heutigen Europäischen Union. Und im Haus der Geschichte Europas lernt man gleich die ganze Geschichte des Kontinents. Alles super medial aufbereitet und modern gestaltet. Auch hier hat es mir sehr gut gefallen.
Tja und damit war es das dann auch schon wieder mit meiner Spazierfahrt, diesmal auch inklusive etwas Rahmenprogramm. 1700 km sind doch noch zusammengekommen, 5 Länder und zwei Europäische Hauptstädte. Dazu noch den Abstecher nach Mordor haben mich alle Tourenziele erreichen lassen. Ich bin abermals froh, dass Molly und ich heil geblieben sind und dass auch sonst alles glatt lief. Jetzt muss ich nur noch heil zu Hause ankommen, wünscht mir Glück.
Euler out.

Sieht es nicht toll aus?

Da war ich doch grad erst!

Hach. Dampfloks haben doch etwas majestätisches, oder?


Samstag, 31. August 2024
Etappe 17 Gerhardsbergen nach Brüssel
"Jetzt erzählt er wie hart und unkomfortabel das Tourenleben so ist und bucht sich einen Tag später ein Hotelzimmer mit bequemen Bett! Wie passt denn das zusammen?"
Gar nicht. Aber ich kann das erklären ;)
Ich bin spät dran. Laut Tourenplan wollte ich eigentlich schon gestern in Brüssel sein und heute einen Tag in der Stadt verbringen. Aber ich habe die Etappe nach und von London unterschätzt und auch nicht mit so viel Gegenwind gerechnet. Deshalb hänge ich etwas hinterher. Und bisher konnte ich immer Campingplätze in Stadtnähe finden, die gut angebunden oder nah am Zentrum liegen. Das scheint in Brüssel nicht der Fall zu sein. Ein gut gelegener Platz gibt sich hier nicht mit schäbigen Zelten ab, ein recht zentraler Platz ist laut Kommentaren eher Drogenumschlags- und Konsumort oder schon direkt geschlossen. Und die restlichen Optionen liegen sehr weit außerhalb. Hotels gibt es dagegen reichlich und so habe ich mich für ein festes Dach über dem Kopf entschieden. Gleichzeitig bietet Brüssel viel für Kultur und Freizeit, sodass ich gleich zwei Tage hier einplane. Denn gleich nebenan ist die Flixbus-Haltestelle und es gab noch Tickets inklusive Fahrradtransport. Ich hoffe, das funktioniert so wie ich mir das vorstelle.
Jedenfalls war es heute eine entsprechend kurze Etappe bis zu meinem Hotel, sodass ich sogar noch etwas Zeit für die Innenstadt hatte. Der Grote Markt ist gesäumt von gotischen Bauwerken wie dem Rathaus und dem Stadtmuseum und wirkt sehr eindrucksvoll. Das Wahrzeichen der Stadt, der Junge ohne Schamgefühl ging dagegen fast unter. Wenn da nicht die Horden an Touristen gewesen wären, die für Fotos anstanden. Allgemein war viel los in der Stadt, an diesem Samstag, sodass ich mich irgendwann aus dem Getümmel zurückzog. Morgen steht dann Politikkunde auf dem Plan, wenn es Richtung Europäisches Parlament geht. Und das Atomium will auch noch besichtigt werden!

Viel Gotik am Marktplatz

P.S. Morgen gibt es keinen Eintrag, aber am Montag noch eine kurze Zusammenfassung. Stay tuned.


Freitag, 30. August 2024
Etappe 16 Ypern nach Gerhardsbergen
Radreisen sind ein schönes Mittel um ein Land zu bereisen. Anstatt einfach auf der Autobahn zum Zielort zu brettern, erlaubt die Reisegeschwindigkeit auf dem Drahtesel auch Details am Wegesrand wahr zu nehmen. Wie z.B. das eindrucksvolle Denkmal, das an die Verteidigung des Landes gegen die Preußen im ersten Weltkrieg erinnert. Hier hab ich heute meine Frühstückspause eingelegt und nebenbei noch etwas Geschichte gelernt. Nur eins sind Radreisen nicht: Komfortabel. Vor allem zu Beginn rebelliert der gesamte Bewegungsapparat, es sei denn man trainiert vorher (was ich meist nicht tue) oder man lässt es ruhig angehen (was ich nie tue). Und auch das ständige Auf- und Abbauen seiner Sachen ist nicht gerade spaßig. Da ist es natürlich viel bequemer, seinen gesamten Hausstand ins Wohnmobil oder den Wohnwagen zu laden und auf nichts im Urlaub verzichten zu müssen. Aber etwas Unbequemlichkeit ist vielleicht auch gar nicht mal so schlecht. Ich freue mich z.B. auf mein eigenes Bett, darauf nicht jeden Tag die Wäsche und den Abwasch per Hand machen zu müssen und auf die restlichen Annehmlichkeiten, die man daheim so hat. Auf diese Weise weiß man diese Dinge auch wieder mehr zu schätzen.
Meine Etappe heute verlief streng Richtung Osten durch das Belgische Flandern. Hügelige Abschnitte wechselten sich mit flachen ab. Ab und zu radelte ich auf sogenannten Jaagpads an Flüssen oder Kanälen entlang. Diese Wege wurden früher genutzt, um mit Pferden die Schiffe über die Wasserstraßen zu ziehen. Sie verlaufen immer noch meist direkt am Ufer entlang und erlauben ein zügiges Vorankommen. Es sei denn man verliert seinen wichtigsten Verbündeten wie ich heute. Gestern noch auf meiner Seite drehte der Wind auf Nordost und blies mir wieder kräftig entgegen. Nach knapp 100 km reichte es mir daher und ich hab mich entkräftigt geschlagen. Immerhin muss ich heute nirgends mehr hin, auf meinem Campingplatz gibt es einen kleinen Laden, der für meine Grundversorgung ausreichend ist. Morgen geht es dann weiter Richtung Brüssel.

Warum starte ich eigentlich immer so früh? Unter anderem darum!


Donnerstag, 29. August 2024
Etappe 15 Canterbury nach Ypern
Die EU hat mich wieder und Molly hat wieder Festlandasphalt unter den Hufen! In der Warteschlange zur Fähre traf ich ein paar Bikepacker, die aus London kommen. Auf die Frage, wie sie denn hier her gekommen sind war die Antwort: Mit der Bahn natürlich! Mit dem Rad wär das ja ziemlich furchtbar. Gut, dass das geklärt ist. Wenn selbst die Einheimischen zum Radeln lieber ins Ausland fahren... Sie freuen sich jetzt zumindest auf niederländische und deutsche Radwege. Es sei ihnen vergönnt.
Auf der Fähre musst Molly diesmal mit der Gesellschaft von LKWs vorlieb nehmen, während ich auf dem Sonnendeck dabei zusah, wie die Steilklippen Südenglands immer kleiner und kleiner wurden und schließlich ganz hinter dem Horizont verschwanden. Auf der anderen Seite kam Frankreich schnell in Sicht und nach dem Anlegen durfte alles mit zwei Rädern zuerst von Board. Und es fühlte sich ein ganz klein wenig wie heimkommen an: Vertrauter Rechtsverkehr, gute Straßen und Radwege und selbst der Wind verbündetet sich kurzeitig mit mir und schon mich vorwärts. Da sich letzteres schon morgen wieder ändern soll fuhr ich noch länger als sonst gen Westen und fand schließlich in Ypern eine Bleibe für eine Nacht. Dabei stellte sich heraus, dass die Innenstadt so einiges zu bieten hat. Neben vielen gotischen Bauten auch eine enorm große Kathedrale. Und die Innenstadt ansich wirkte unglaublich lebendig und lebenswert. Hier könnte man sicher auch mal mehr Zeit verbringen...

Was eine Kathedrale!


Mittwoch, 28. August 2024
Etappe 14 London nach Canterbury
Ich glaube, ich lass mir ein T-Shirt mit der Aufschrift "National Cycle Route 1 Survivor" drucken. Wäre zumindest passend. Meine Hoffnung, dass morgens vor Sonnenaufgang weniger Verkehr in London wäre haben sich nicht so ganz erfüllt. Auch vor Sonnenaufgang ballern LKW und PKW hier schon an einem vorbei. Aber gut, das Thema hatten wir ja schon und ich möchte hier als Gast im Land auch nicht zu sehr über die Randinfrastruktur herziehen. Wir haben in Deutschland ja auch unsere Herausforderungen damit. Oder, Duisburg?
Irgendwann ließ ich London und die Vororte und auch Rochester hinter mir und es wurde etwas ruhiger. Mit dem Linksverkehr kam ich mittlerweile eigentlich ganz gut klar, ich hoffe ich kann morgen einen Schalter im Hirn umlegen und wieder rechts fahren, ohne als Geisterfahrer herumzuirren. Morgen möchte ich in Dover wieder auf die Fähre Richtung Frankreich und dafür heute so dicht wie möglich an Dover heran. Jedoch holte die Sonne nochmal ordentlich aus und brannte ab der Mittagszeit heiß vom Himmel. Gut durchgegrillt entschied ich mich in Canterbury einen weiteren Stop auf dem mir bereits bekannten Campingplatz einzulegen. Nehm ich morgen wohl besser eine Fähre später.


Dienstag, 27. August 2024
Tag 13 London
Molly hatte heute eine Tag Pause und konnte sich auf dem Campingplatz erholen. Ich wollte mir hier nicht mehr Straßenverkehr wie nötig antun. Für mich ging es daher morgens mit der Tube, genauer gesagt der Elisabeth Line ins Zentrum. Und was soll ich sagen? Ein Unterschied wie Tag und Nacht zwischen dem bisherigen England und dem Britischen Kapitol. Die Subway: Pünktlich, schnell, sauber, modern. Die Straßen in der Hauptstadt: Halbwegs sauber, in gutem Zustand, gepflegt. Die ikonischen roten Doppeldeckerbusse prägen das Stadtbild und es gibt sogar Fahrradfahrende! Und auch der Rest der Stadt präsentierte sich als eine Mischung aus Moderne und Vergangenheit. Überall zeugen Monumente, Statuen, Obelisken und prächtige Bauwerke von den glorreichen Tagen des Britischen Empires. Gleichzeitig prägen die Bauwerke der Moderne, the Shard, the London Eye oder the Walkie-Talkie die Skyline der Stadt. Die Dichte der Sehenswürdigkeiten ist schlicht enorm. Und man bekommt den Eindruck: England ist London. Was in Südengland an Investitionen fehlt wird hier getätigt. (Und vermutlich auch doppelt und dreifach wieder eingenommen, denn alles kostet hier ein halbes Vermögen).
Nach einem kurzen sacken lassen der Eindrücke machte ich mich zunächst zu Fuß auf, die Stadt zu erkunden. Es ging über den Trafalgar Square zu Big Ben und Westminster Abbey. Früh Morgens war die Stadt noch entspannt leer. Das änderte sich jedoch schnell und so fand ich mich bald in Gesellschaft von tausenden Touris. Und ausnahmsweise verhielt ich mich auch mal entsprechend, buchte ein Hop on, Hop off Ticket und erkundetet die Stadt fortan auf dem Sonnendeck der Cabrio Doppeldeckerbusse.
An der Tower Bridge wechselte ich auf die Fähre und setzte die Erkundungstour auf der Themse fort. Wieder in Westminster angekommen wartete ich auf den nächsten Bus und sammelte weitere Eindrücke. Aber wie gesagt, die Dichte an Sehenswürdigkeiten ist dermaßen hoch, dass ich irgendwann schlicht mental satt war. Nach einem Happen zu Essen setzte ich mich wieder in die pünktlich wie ein Uhrwerk fahrende Tube zurück nach Abbey Woods. Zurück am Campingplatz heißt es jetzt die morgige Etappe vorzubereiten, ich hoffe, ich komme morgens besser durch die Vororte Londons und Rochester als letztes Mal...

Zweites Tourenziel erreicht :)


Geschichte...

... trifft Moderne


Montag, 26. August 2024
Etappe 12 Canterbury nach London
Liebe Briten. Ich hätte da einen Verbesserungsvorschlag zu Eurem National Cycle Network. Ansicht eine gute Idee, alle Fahrradwege, so wenige es auch sein mögen, auszuweisen und in einer Karte zusammenzufassen. Ich bin heute in Teilen die Route 1 gefahren. Man könnte doch meinen, dass die Nummer 1 ein Aushängeschild sein müsste. Der ganze Stolz sozusagen. Warum führt diese Route dann in Teilen an einer achtspurigen Autobahn vorbei?? Und mit in Teilen vorbei meine ich meilenweit direkt daneben. Ohne Abstand, ohne Schallschutzmauer, ohne Absperrung. Wenn man sich hier nicht vorsieht steht man mitten auf der Autobahn. Gab's da wirklich keine bessere Alternative?
Dabei hatte es heute noch ganz harmonisch angefangen. Früh Morgens war in Canterbury noch nicht viel los und ich konnte mich ganz aufs links fahren konzentrieren. Das klappte auch schon viel besser als gestern. Es ging dann weiter über Faversham, Sittingbourne und Rochester. Das Wetter hielt einigermaßen, nach einem kurzen Schauer am Morgen wurde es noch ganz schön. Ein paar Steigungen waren noch zu bewältigen, aber nichts dramatisches mehr. Doch dann gelangte ich in den Großraum London, der Verkehr wurde dichter, die Radwege dagegen spärlich. Und wenn es sie mal gab, hätte man sie umständlicher kaum planen können. Am einer Kreuzung hab ich ungelogen 9 individuell geschaltete Ampeln gebraucht, um die Straße zu queren. Fast jede Spur eine eigene Bettelampel. Unglaublich. Und oft musste man direkt auf die Straße. Und die sind oft so zugeparkt, dass nur noch eine Spur als Mittelstreifen zur Verfügung steht. Denkt man. Denn bei jeder sich bietenden Gelegenheit wird dann versucht, sich irgendwie vorbeizuquetschen.
Fahrradfahrende sucht man hier auch fast vergeblich. Ein paar EssensausfahrerInnen gab es, ansonsten fährt hier fast niemand Rad. Nun gut. Mein Lieblingsfahrradland wird UK wohl nicht mehr. Aber immerhin bin ich schließlich noch in einem Stück an meinem Campingplatz in Abbey Woods angekommen. Diesen Platz hab ich tatsächlich vorher schon reserviert, denn Alternativen gibt es hier kaum. Zur Belohnung gab es dafür dann heute selbst gemachte Burger, denn trotz Feiertag hatte noch ein Laden in der Nähe offen.


Sonntag, 25. August 2024
Etappe 11 Dunkerque nach Canterbury
Ahh, überall Geisterfahrer!!1! Dieser Linksverkehr macht mich fertig. Ich hatte gehofft, mich da schneller dran gewöhnen zu können. Aber so einfach ist es nicht, 40 Jahre Rechtsverkehrsozialisierung aus dem Hirn zu bekommen. Schon gar nicht aus dem unterbewußten.
Wie sich unschwer erahnen lässt, hab ich es auf die Insel geschafft. In aller Herrgottsfrühe machte ich mich zum Hafen Dunkerque auf, der noch ein gutes Stück hinter der Stadt liegt. Er vor kurzem hab ich gemerkt, dass ich gar nicht ganz bis Calais radeln muss, um nach Dover überzusetzen. Die Fahrt war zwar ca. eine Stunde länger, aber zeitlich gelohnt hat es sich trotzdem.
Im Hafen angekommen dürfte ich mich nach mehrfacher Passkontrolle dann in die Zweiradlinie stellen. Viel Gesellschaft hatte ich dabei nicht, nur ein paar mit MTBs gesellte sich noch dazu. Auf der Fähre lernte ich noch ein nettes deutsch-englisches Paar kennen, mit dem ich mich die Überfahrt unterhalten konnte. So verging die Überfahrt wie im Fluge und schon bald wurden die Steilklippen Südenglands immer größer. Aus dem Dockbereich und aus Dover herauszufinden war gar nicht so einfach, aber schließlich fand ich meine Route und strampelte drauf los.
Über den Zustand der Fahrradwege brauche ich mich hier auch tatsächlich gar nicht aufregen. Denn es gibt schlichtweg keine. In den Städten findet man manchmal welche, die unvermittelt anfangen und auch direkt wieder aufhören, über Land sucht man sie ganz vergeblich. Jeder fährt auf der Straße und ich muss höllisch aufpassen, denn die Straßen sind oft kaum breiter als ein moderner PKW. Und die meisten Strecken haben auch schon bessere Zeiten gesehen. Schlaglöcher und abgebrochene Abschnitte findet man fast überall. Das Vorankommen ist eher zäh, denn es geht kräftig bergan und bergab, wobei sich der Schwung abwärts kaum nutzen lässt. Aber immerhin ist die Landschaft sehr schön und die Leute alle gut gelaunt. Außerhalb der Stadt grüßt fast jeder freundlich, winkt oder wünscht gar gute Reise.
Und auch am Campingplatz würde ich freundlichst begrüßt. Mangels Alternativen ging es heute nur bis Canterbury. Der Platz hier ist aber super, stadtnah und doch im Grünen, sehr sauber und wie gesagt alle sehr zuvorkommend hier. Auf meine Frage, ob ich bei meiner Rückfahrt hier reservieren müsste (das scheint hier tatsächlich nicht unüblich zu sein) kam gleich der Chef aus dem Hinterzimmer und meinte, Back- und Bikepacker sind hier immer auch ohne Reservierung willkommen. Sehr sympathisch :)
Da ich früh dran war verband ich den Essenseinkauf - hier auch Sonntags problemlos möglich - direkt mit einem Bummel durch die Altstadt. Die präsentiert sich sehr heimelig mit engen Gassen und vielen mittelalterlichen Bauten. In der Stadtmitte thront die Cathedral of Canterbury zusammen mit noch vielen weiteren christlichen Bauten. Der Besuch war definitiv lohnenswert.

Die Kathedrale von Canterbury. Leider derzeit etwas verbaut.


Samstag, 24. August 2024
Etappe 10 Westdorpe nach Dunkerque
Seit zehn Jahren mache ich Touren wie diese fällt mir gerade auf. 2014 ging es zum ersten Mal mit Zelt und Schlafsack los. Damals von Heide nach München und mit einem kleinen Abstecher nach Augsburg. Das heißt mein Zelt ist ebenso alt. Und auch wenn es schon die ersten Alterserscheinungen aufweist, wie sich lösende Nahtversiegelungen scheint es noch dicht zu sein. Zumindest hat es den hier gerade niedergegangenen Platzregen ganz gut überstanden. Mal schauen, wie es heute Abend mit dem Dauerregen klappt. So ganz überraschend kam der Regen nicht, auf der Wetterkarte würde er schon angekündigt. Heftiger Wind inklusive. Entsprechend früh sprang ich aus den Federn, um dem Gröbsten zu entgehen. Um fünf in der Früh war ich auf der Straße. Und es lief ganz gut, zwar regnete es immer mal wieder aber der Wind legte zwischenzeitlich eine Pause ein und erlaubte mir ein besseres Vorankommen als die letzten Tage. Bald erreichte und durchquerte ich Brügge und fuhr auch danach immer nach Westen weiter. Schließlich überschritt ich fast unbemerkt die französische Grenze und fuhr noch bis Dunkerque. Hier empfing man mich sehr freundlich und wies mir einen kleinen Platz hinter einem Sanitärhaus zu. Eine Zeltwiese gibt es hier nicht, nur fest installierte Hütten und Plätze für Wohnmobilen. Dafür wollten sie aber nicht mal Geld von mir haben.
Eilig baute ich mein Zelt auf und ging duschen. Zurück am Zelt konnte ich dann die Dichtigkeitsprüfung durchführen, als sich der Himmel auftat. Da ich jetzt wenig Ambitionen habe noch groß die Gegend zu erkunden, verkoche ich noch ein paar Reserven. Morgen geht es wieder früh los, denn meine Fähre legt früh ab. Ich hoffe es klappt mit der Überfahrt alles.


Freitag, 23. August 2024
Etappe 09 Olen nach Westdorpe
Und jetzt alle die Ukulele raus und mit einstimmen: "Somewhereover the Rainbow..." Die Tour ist auch gleichzeitig eine Art Digital Detox. Schon aus Zeit- und Energiegründen nutze ich das Handy ausschließlich, um Campingplätze und Supermärkte zu finden und zu bloggen. Also wenn gerade die Welt untergeht, bitte ich um eine kurze Nachricht oder einen Kommentar. Kleiner, unschöner Nebeneffekt des Medienentzugs ist jedoch, dass mir Ohrwürmer lange erhalten bleiben. Selbst wenn man den Song nur kurz im Supermarkt gehört hat. Vielleicht liegt's aber auch an der Etappe, denn die bot nicht sonderlich viel Abwechslung. Ich machte zunächst dort weiter, wo ich gestern aufgehört hatte und zwar am Albertkanaal. Bis nach Antwerpen begleitete mich der Wasserweg. Dann ging es in die Stadt und es zeigte sich, dass Belgien den Niederlanden in Fahrradfreundlichkeit in nichts nach steht. Das Queren der Stadt ging schnell und problemlos. Nun ging es weiter meist über Land und kleine Ortschaften. Abermals blies mir der Wind kräftig entgegen und zu allem Überfluss fing es auch noch an zu regnen. Schon etwas durchnässt entschied ich mich, an einem Campingplatz in Westdorpe Halt zu machen. Ich hatte zwar erst 90 km geschafft, der nächste Platz wäre aber noch weit weg und auch sehr abseits meiner Route gewesen. Hier steht daher jetzt mein Zelt inmitten von Apfelbäumen auf einem kleinen Bauernhof.

Jemand hungrig?


Donnerstag, 22. August 2024
Etappe 08 Aachen nach Olen
Ich bin im gelobten Land! Also zuerst im ersten, den Niederlanden und dann im zweiten, Belgien. Und ich könnte mich jetzt mal wieder darüber auslassen, wie furchtbar ich deutsche Verkehrsplanung, vor allem in den Städten finde und wie viel mehr Spaß es hier macht zu radeln. Ich gebe zu, es gibt teils zaghafte Ansätze, wie zum Beispiel in Aachen, wo schon etwas für den Radverkehr getan wurde. Im direkten Vergleich ist das aber immer noch herzlich wenig. Nun ja, ich genieße es hier einfach, so lange ich da bin und hoffe, dass wir irgendwann mal einen Verkehrsminister ohne Vakuum zwischen den Ohren bekommen.
Meine Etappe begann wie üblich früh in Aachen am Campingplatz und führte mich auf direktem Weg nach Maastricht. Dabei galt es noch die letzten (Festland) Höhenmeter der Hintour zu überwinden. Dies geschafft, kreuzte ich Maastricht von Ost nach West ohne Probleme oder Verzögerungen. Danach folgte ich dem Albertkanaal, der über einen -Überraschung - exzellenten Radweg verfügt. Nur der Wind, anfangs noch mäßig, dann wieder sehr streng wollte sich nicht mit mir verbünden. Zwar kam er meist nicht mehr frontal sondern schräg von vorn, es kostete trotzdem viel Kraft, sich gegen ihn zu stemmen und ihm abermals Kilometer um Kilometer abzuringen. Immerhin die Sonne schien ganz ordentlich, ohne mich gleich komplett zu grillen.
In Olen hatte ich schließlich genug für heute und kehrte auf einem Campingplatz ein. Hier lass ich jetzt meine müden Muskeln regenerieren. Denn viel zu tun ist hier sonst nicht, ich scheine der einzige Gast auf der Zeltwiese zu sein...


Mittwoch, 21. August 2024
Etappe 07 Bonn nach Aachen
Können wir dieses Sozialexperiment E-Scooter mal endlich beenden? Oder zumindest verhindern, dass man die Dinger überall "abstellen" kann? Mittlerweile erkenne ich an den Scootern, wenn ich mich einer Großstadt auch nur im entferntesten nähere. Denn dann liegen diese Gefährte überall herum, im Zweifelsfall direkt auf dem Radweg. Und dabei ist es egal, ob man noch mitten im Wald oder in der Feldmarkt fährt. Offenbar fährt man einfach soweit der Akku reicht und entledigt sich des Leihgeräts dann einfach. Irgendein armer Tropf wird es schon wieder einsammeln...
Die heutige Etappe startete wieder früh, am Rhein ging gerade die Sonne auf, als ich an ihm Richtung und dann durch Bonn fuhr. Das war dann aber schon alles an Idylle dieses Tages. Der Rest des Wegs war nicht sonderlich spannend, er führte meist entlang an Landes- oder Bundesstraßen oder über landwirtschaftliche Wege. Trotz eher flachem Gelände war es sehr kräftezehrend, denn der Wind wehte mir den ganzen Tag streng entgegen. Jeden Kilometer musste ich ihm abringen. Dennoch nahm ich einen kleinen Umweg in Kauf für ein persönliches Anliegen, welches mir schon länger vorschwebte. Ca auf der Mitte der Etappe bog ich ab und fuhr in ein abgesehen von vielen Schildern und Zäunen ganz schönes Waldstück. Am Ende des Weges führte eine Treppe hinauf. Oben angekommen taten sich dann aber die Tore zur Hölle auf und gaben den Blick frei auf das größte Braunkohleabbaugebiet Europas, den Hambacher Braunkohltagebau. Verglichen wird das Gebiet manchmal mit Mordor aus Herr der Ringe und der Vergleich ist gelungen. Aus der Ferne war das dumpfe Grollen der Bagger zu vernehmen mit denen RWE sich hier durch die Landschaft fräst und dabei alles zerstört, was im Weg ist. Quadratkilometerweise bleibt nur totes Land zurück. Beeindruckend war der Anblick, gleichzeitig auch erschreckend.
Mit gemischten Gefühlen ging es zurück auf die Straße und in den zähen Kampf gegen den Wind. Zwischenzeitlich fühlte es sich an, als käme ich gar nicht voran, schließlich erreichte ich dann aber doch mein Ziel Aachen, wo ich gedenke die nächste Nacht auf dem Campingplatz zu verbringen.

Mordor. Etwas schwierig das Ausmaß auf ein Bild zu bannen


Dienstag, 20. August 2024
Etappe 06 Bacharach nach Bonn
So langsam geht die Tour an die Substanz. Schon vor Beginn hab ich meine Oberschenkel gemerkt, da ich noch auf Goldmedaillenjagd fürs Deutsche Sportabzeichen gehen musste. Jetzt findet mein Körper immer neue Gründe mich davon zu überzeugen, doch lieber auf der Couch zu entspannen, statt Kilometer auf dem Rad zu reißen. Schon überraschend, was alles so weh tun kann am Körper... Aber solange es noch erträglich bleibt geht's weiter. Frei nach dem Motto: Pain ist temporary, glory lasts forever!
Immerhin die Etappe belohnte heute mit schöner Aussicht. Das obere Mittelrheintal hat seinen Status als Welterbe nicht umsonst. Der Fluss schlängelt sich hier durch die Landschaft, links und rechts gesäumt von Bergen. Der Radweg folgt zusammen mit Bahnlinien dem Flussverlauf weitestgehend und erlaubt schnelles vorankommen. Vorbei ging es an der Loreley bei St. Goa, Boppard und Spray. In Koblenz stattete ich noch kurz dem Deutschen Eck einen Besuch ab ehe ich mich weiter am Rhein flussabwärts bewegte. Kurz vor Bonn fand ich einen Campingplatz, auf dem ich tatsächlich schon einmal war. Ich glaube sogar auf meiner letzten Tour nach Amsterdam. Nach der Ankunft -ich durfte mein Zelt direkt aufbauen - folgte ich meiner üblichen Routine: Duschen, Klamotten waschen, Einkaufen fahren, Essen zubereiten, Abwaschen, Bloggen. Etwas Zeit bleibt mir noch vorm Schlafen, daher geht's gleich nochmal an den Rhein.

Premium Frühstücksplatz mit Fluss- und Bergsicht.


Montag, 19. August 2024
Etappe 05 Hanau nach Bacharach
Je ranziger der Campingplatz, desto netter die Leute. Zumindest traf das gestern voll zu. Der Platz war schön klein und der Besitzer, selbst offenbar sein bester Kunde sehr zuvorkommend. Das Sanitärgebäude passte mit sagen wir mal rustikalem Charme auch ins allgemeine Gesamtbild. Aber ich will mich nicht beschweren, solange irgendwo Trinkwasser aus der Leitung kommt und es eine Essens- und Getränkerückgabe gibt bin ich schon zufrieden.
Während ich mir den Bauch im angrenzenden Restaurant voll stopfte, hab ich einen Zeltnachbarn gewonnen. Werner, seine Zeichens Exilberliner zog neben mir ein. Er ist mit dem Mountainbike unterwegs. Ohne konkretes Ziel. Im Frühling ist er den Pilgerweg nach Santiago de la Compostela gefahren und war jetzt so angefixt, dass er jetzt einfach nochmal so losgefahren ist. Während wir beide von unseren Touren berichteten, gesellte sich dann noch Johanna zu uns. Sie hat auf ihrem Tourenrad schon über 100.000 km gerissen und war gefühlt schon überall in Europa. Unter anderem erzählte sie vom Nordkapp, wo sie vor ein paar Jahren war. Noch viele Fachsimpeleien und Erzählungen später löste sich die Runde schließlich auf.
Heute war meine Etappe sehr urban geprägt. Schon morgens in Hanau war viel los und das änderte sich auch vorerst nicht. Kurze Zeit später kam schon die eindrucksvolle Skyline von Frankfurt in Sicht. Die Uferpromenade war gut zu befahren und auch sonst kam ich ganz gut voran. Das änderte sich allerdings in Mainz, wo das Radwegenetz einem Labyrinth aus zusammengefrickelten und unterschiedlich befahrbaren Wegen gleicht. Aber auch hier fand ich schließlich einen Weg hinaus und folgte fortan dem Rhein in den der Main ja mündet. Bei einer Pause am Wegesrand bekan ich dann noch unerwarteten Besuch: Eine zutrauliche Bisamratte kletterte auf dem nahen See und erkundete die neuen Besucher im Revier. Da man aber per Schild schon aufgefordert wurde, nicht zu füttern, machte sie sich kurze Zeit später von dannen.
Im weiteren Verlauf der Etappe gelangte ich nach einiger Zeit zum landschaftlich interessantesten Teil des Rheins. Hier fahre ich nun schon zum dritten Mal und es ist immer wieder schön. Weinberge säumen das Flusstal, ebenso wie kleine beschauliche Städte. Bis nach Bacharach bin ich noch gekommen, wo ich abermals mein Lager für eine Nacht aufgeschlagen habe.

"Du hast doch bestimmt Futter!?"